Nach unruhigem Halbschlaf weckt mich gegen 6:30 Uhr Platzregen und der immer stärker am Zelt ruckelnde Wind. Mein nach dem letzten Sturm halbwegs starkes Vertrauen in die Stabilität des Zeltes wird weniger als sich selbiges in vorher noch nie gesehenem (und auch nicht für möglich gehaltenem) Winkel zur Erde neigt. Die sich biegenden Stangen festzuhalten war unmöglich, die Böen zogen mich regelrecht einfach mit. Dieses Vertrauen ist schließlich völlig zunichte als eine der das Schlafzelt überspannende Stangen mit einem lauten Knall bricht und das Zelt mit lauten Flatter- und an die Zeltplanen peitschenden Regengeräuschen eher horizontal lag. Im Gegensatz zu mir hatte Julia wohl einen eher tieferen Schlaf und eine gesunde Portion Grundvertrauen in Mensch und Material. Denn erst jetzt schälte sie sich aus dem zu einer flachen Höhle zerquetschten Schlafzelt!
Das war dann also der "worst case" mit dem ich eigentlich schon beim letzten Sturm gerechnet hatte. Diese Windböe jedenfalls hat, wie sich hinterher rausstellen sollte, einen Massenauflauf an der Rezeption wegen zerstörter Stoffbehausungen ausgelöst.
Ein fetter Orkan! Jetzt war es also nur eine Frage der Zeit, bis sich das ganze Zelt verabschiedet. Während Julia nach kurzer Orientierungsphase alle umherfliegenden Sachen in irgendwelche Taschen und Müllsäcke stopfte, hielt ich mit aller Kraft die zerborstene Bruchstelle der Stange so gut es ging, von der flatternden Zeltwand weg. Das kleinste Loch würde uns bei dem Sturm umgehend im freien sitzen lassen.
Jetzt hieß es mal cool bleiben und genau zu überlegen, was von den Sachen jetzt zuerst und wie gesichert werden muss. Unser Auto stand etwa 100 Meter entfernt auf 'nem Parkplatz hinter einem kleinen Waldstück. Also schleppte Julia eine Tasche nach der anderen dorthin, während ich mit Fiberglassplittern in den Händen das ehemalige Zelt von innen festhielt um die Sachen wenigstens halbwegs trocken verstauen zu können. Mit einer Hand versuchte ich so viel Kram wie möglich irgendwo rein zu packen. Die verbliebene, noch heile Stange bog sich bedrohlich meiner linken Backe entgegen und die Vorstellung, dass diese mit dem gleichen Knall an dieser Stelle zerbarst, ließ uns dann doch so wenig Zeit wie möglich verlieren uns auch selbst in Sicherheit zu bringen.
Als schließlich die schwersten Teile aus dem Schlafzelt geborgen waren, flog dieses gradewegs über uns hinweg und fegte begleitet von allerlei Hausrat und sonstigem Kram, der noch nicht eingepackt war, mit mehreren Überschlägen die Düne entlang auf das (noch) stehende Nachbarzelt zu. Mit einem beherzten Becker-Hecht stürzte sich Julia darauf und bändigte es schließlich umringt von den hinterhergeflogenen Gegenständen.
Die 10-Euro-Strandmuschel stand kackfrech immer noch wie eine Eins neben dem noch an ein paar Pflöcken hängenden Fetzen von Zeltplane. Das sollte die Rettung für den Rest der Klamotten sein, denn diese Strandmuschel war per Reißverschluss verschließbar.
Während nun auch das Nachbarzelt eines (Lesben-)Pärchens aus England von Mitgliedern einer ebenfalls benachbarten aber durch ein vernünftiges Sturmzelt besser ausgerüsteten Familie festgehalten werden musste um Hab und Gut im Zelt dieser Familie unterzustellen, schafften wir unsern Kram ins Auto. Zwei Stunden vergingen im Sturm und Regen. schließlich saßen wir völlig durchnässt im Auto und amüsierten uns darüber, wie wir uns noch Tage vorher ausmalten, was für ein Stress das Abbauen und einpacken werden würde! Jetzt hatten wir das sozusagen in Windeseile geschafft und irgendwie hatten wir beide nicht mehr den unbedingten Drang, unser mitgebrachtes Ersatz-Iglu aufzubauen und die sturmgeschädigten und mühsam ins Auto gestopften Sachen wieder auszupacken. Also tauschten wir am Auto unsere Klamotten noch mal mit halbwegs trockenen und verließen, etwas wehmütig aber saumäßig gut gelaunt ob unserer sturmerprobten Teamleistung, De Koog und waren um 12:30 schließlich auf der Fähre nach Den Helder.
Aufgrund des zerstörten Zeltes bekamen wir noch für die verbleibenden fünf Tage (immerhin im Wert von 90 Euro) einen Gutschein, den wir garantiert bald einlösen werden. Mit so einem abrupten Ende hätten wir natürlich nicht gerechnet, aber wir hatten alles unternommen und erlebt, was wir uns vorgenommen hatten. Das reichte locker. Und der letzte Texel-Urlaub war es ja sowieso nicht! Eher geht die Insel unter. Das nächste mal aber mit nem geeigneten Zelt - soviel ist klar!
Diese Fotos entstanden erst nach dem schlimmsten Chaos. Ich denke, dem geneigten Leser erscheint es durchaus verständlich, dass das Festhalten und Bergen der wichtigsten Teile Priorität hatte ;) Hier sieht man jedenfalls ganz gut, was vom Zelt übrig war. Im Hintergrund ist auch schon das Zelt der Nachbarn als Knäuel zusammengepackt.Als letztes fanden wir die immer noch fest im Boden verankerte Sturmleine von der Rückwand unseres Zeltes. An den neu gekauften Pflöcken hat es also nicht gelegen! Die Leine wurde von der Wucht des Orkans einfach aus der Zeltwand gerissen. Diese Leine mit dem Stück Zelt dran ist auch das einzige was wir als Souvenier behalten haben.Diese unverschämte Strandmuschel ... Am Ende war sie mit Müll und vom Sturm unbrauchbaren Dingen wie Kartons, Lebensmittel und Zelt vollgepackt, weshalb sie von uns leider so, wie sie hier zu sehen ist, zum Container am Parkplatz gezerrt und entsorgt wurde!
Der Moment der Erleichterung im trockenen Auto am Parkplatz! Nach zwei Stunden Aaakschn war das eine von den genüsslichen Kippen ...